Kreuz und quer durch Europa – mit der Bahn!

Jeder kennt es. Das Gefühl im Zug zu sitzen und sich zu wünschen, endlich wieder auf Reisen gehen zu können. Und nicht nur einfach bis zum eigenen Arbeitsplatz. Nein – Reisen, um neue Länder, Speisen oder Bräuche kennenzulernen. Die Freiheit dazu will ich unterstützen!

Wir leben in Europa und genießen viele Freiheiten. Nicht umsonst wird die Europäische Union als großes und erfolgreiches Friedensprojekt beschrieben. Eigentlich kaum zu glauben: Denn vor mehr als 70 Jahren war Europa tief gespalten. Der gesamte Kontinent lag in Schutt und Asche. Die Europäer*innen standen vor dem Nichts. Man musste sich erst einmal wieder an sein Gegenüber gewöhnen. Dass andere Sprachen kein Zeichen von Feindlichkeit darstellen, sondern Chance für eine gemeinsame Zukunft sind, musste erlernt werden. Von dort war es ein langer Weg, der aber mit viel Arbeit zu einem erfolgreichen Projekt wurde.

Viele Menschen, die heute hier leben, sind aber mit einer ganz anderen Sicht aufgewachsen. Besonders junge Menschen kennen Europa nur als einen geeinten Kontinent: Sie stehen sich nicht im Streit gegenüber, sondern tauschen sich kulturell, politisch oder sozial aus. Sie empfinden das als hilfreich und lernen viel voneinander. Dass wir alle – auch die älteren Generationen – überhaupt die Möglichkeit haben, uns ohne Hürden auszutauschen, liegt auch an praktischen Maßnahmen wie dem Schengener Abkommen. Das Übereinkommen, das am 14. Juni 1985 den ersten Schritt machte und Stück für Stück die Kontrollen zwischen den Ländern Frankreich, Deutschland und den Benelux-Staaten abbauen sollte, umfasst heute 22 EU-Staaten und 4 Nicht-EU-Staaten (Norwegen, Island, Schweiz und Lichtenstein). Die Grenzen verschwanden und das Gefühl der Gemeinsamkeit wuchs!

Ein europäisches Projekt spiegelt diese Reisefreiheit unseres Kontinents in besonderer Weise wieder: Das „Interrail-Ticket“. Grundsätzlich ist es nur eine Art Zugticket. Aber bei jeder Fahrt ist der Geist der europäischen Reisefreiheit mit an Bord. In den 1970ern entstanden, sollte es damals dem aufkommenden Rucksacktourismus eine preisgünstige Alternative der Fortbewegung bieten. Junge Leute bis 21 hatten so die Möglichkeit Europa kennenzulernen. Und: Bereits 1991, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Fall des Eisernen Vorhangs, war eine Reise nach Osteuropa möglich. Der daraus entstandene Austausch ist eine integrative Leistung, die einfacher und direkter vermutlich hätte nicht stattfinden können. 1991 reiste ich selber als junger Mann mit Interrail durch Europa über die Niederlande, Belgien und die Schweiz bis nach Griechenland. Die Eindrücke dieser Reise prägen noch immer meinen Blick auf Europa.

Heute nehmen bereits 31 Länder an diesem großartigen und nachhaltigen Projekt teil. Auch die Altersgrenze wurde auf 27 Jahre angehoben. Das Schienennetz umfasst derzeitig 170.860 Kilometer. Es gibt also genug Strecke zum Erkunden. Das denken sich jährlich sogar mehr als 300.000 Personen und gehen auf Reise. Seit der ersten Auflage der Tickets haben mehr als sieben Millionen junge Europäer*innen Interrail genutzt und die Reisefreiheit, die verschiedenen Kulturen, Gerichte und Bräuche Europas am eigenen Leib gespürt, geschmeckt und erfahren. Ich halte Interrail für ein Projekt von unschätzbaren Wert. Als Gesellschaft müssen wir es weiter unterstützen.

An Protesten wie #FridaysforFuture erkennt man, dass das Bewusstsein für den Umweltschutz wächst. Trotzdem wollen wir mobil bleiben. Nicht nur aus kultureller, sondern auch aus ökologischer Sicht ist Interrail und der Zugverkehr in Europa deswegen ein perfekter Kompromiss aus Entwicklung und Ökologie, den es zu unterstützen gilt. Die EU plant Interrail mit 700 Millionen Euro zu unterstützen. Wichtig dabei ist eine gute Bahn-Infrastruktur. Und auch in Deutschland geht es voran: Bisher hatte der Bund vereinbart, jährlich 3,5 Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen an die die Deutsche Bahn zu zahlen. Ab 2020 ist eine Steigerung von einer Milliarde auf insgesamt 4,5 Milliarden Euro geplant. Das ist ein richtiger Schritt. Allerdings nicht ausreichend, wenn man bedenkt, dass diese Summe gerade mal für die Reparatur- und Ausbauarbeiten des 34.000 km langen deutschen Schienennetzes ausreicht. Unser Ziel ist es, Europa noch stärker zu vernetzen und unsere Umwelt zu schützen. Der Bahnverkehr vereint beides. Nutzen wir also die Chance und stellen wir unsere Mobilität auf nachhaltige Varianten um: Mit dem Willen zum Umdenken und noch viel mehr Geld für eine europaweite Mobilität.

Beitrag in der Zeitung „Rund um Kirchbarkau“ im April